Quantcast
Channel: Belltower News - Rechtsextremismus
Viewing all articles
Browse latest Browse all 177

Rechtsextremismus kompakt in Stichworten und Zahlen

$
0
0

Einmal kompakt zum Nachschlagen: Wie viele Rechtsextreme gibt es noch mal in Deutschland? Und wie viele Kameradschaften? Und...

Zusammengestellt von Simone Rafael

Was ist Rechtsextremismus?

Eine Einstellung, die die Gleichwertigkeit aller Menschen ablehnt, auf Ungleichwertigkeiten zielt.

Wichtigste Elemente:

Auswirkung rechtsextremer Einstellungen

Diese Ablehnung äußert sich als verbale Hetze, Anfeindungen, Bedrohungen und als Gewalt.

Organisierte Rechtsextreme

  • - Rund 23.150 Menschen gehören in Deutschland zum rechtsextremen Spektrum (2011: 22.400, 2010: 26.000, 2009: 26.600, 2008: 30.000)
  • - Davon sind 7.150 in Parteien Mitglied (2011: 7.300; 2010: 9.600; 2009: 11.300)
  • - 2.500 gehören zu rechtsextremen Organisationen (2011: 2.500, 2010: 2.500; 2009: 2.500)
  • - 6.000 gelten als „Neonazis“, die sich in Kameradschaften organisieren (2011: 6.000, 2010: 5.600; 2009: 5.000)
  • - 9.500 gelten als „gewaltbereit“ (2011: 9.800, 2010: 9.500)

Rechtsextreme Einstellungsmuster

  • - Nicht jeder der so denkt, handelt auch messbar entsprechend – wählt eine Partei, wird Mitglied einer Kameradschaft usw.
  • - 2010 vertraten insgesamt rund 8 Prozent der Menschen in Deutschland rechtsextreme Einstellungen (das sind 6,4 Millionen Menschen)
  • - Rechtsextreme Einstellungen werden von mehr Frauen als Männern vertreten - beim Wahlverhalten ist es umgekehrt.
  • - Sie werden mehr von alten als jungen Menschen vertreten - beim Wahlverhalten ist auch das umgekehrt.
  • - Rechtsextreme Einstellunge werden mehr von Menschen aus bildungsfernen Schichten als Menschen aus gebildeten Schichten
  • - und mehr von Menschen aus dem ländlichen Raum als von Menschen aus Großstädten
  • Insgesamt sind verzeichnet Wilhelm Heitmeyer in seiner Langzeitstudie "Deutsche Zustände" abnehmende Werte für Fremdenfeindlichkeit (deutlich), Etabliertenvorrechten (deutlich), Islamfeindlichkeit (leicht), Behindertenfeindlichkeit (leicht), Obdachlosenfeindlichkeit (leicht), Sexismus (deutlich), Rassismus (deutlich) und die Abwertung von Langzeitarbeitslosen (leicht). Zustimmung zu Homophobie und Antisemitismus dagegen steigen (letzte Studie erschien 2011).

Rechtsextreme Organisationsformen

Parteien der rechten Szene

  • NPD
    - 6.000 Mitglieder (2011: 6.300; 2010: 6.600; 2009: 6.800)
    - „Nationale Sozialisten“, offen NS-verherrlichend, Ziel: „Systemüberwindung“, enge Zusammenarbeit mit der freien, gewaltbereiten Szene
    - Spezialität: Kommunalpolitik, Instrumentalisierung sozialer Fragen
  • DVU
    - wurde 2012 offiziell aufgelöst
    - 2011: 1.000 Mitglieder (2010: 3.300; 2009: 4.500)
    - Zwischen rechtsextrem und rechtspopulistisch, nennt sich selbst „national-freiheitlich“, vertritt völkisch-rassistische Ansichten
  • Die Rechte
    - gegründet im Mai 2012
    - Auffangorganisation für ehemalige DVU-Anhänger*innen nach der Auflösung; wegen Gründer Christian Worch auch im Kameradschaftsspektrum beliebt
    - offen rechtsextrem, demokratiefeindlich
    - Mitglieder: 494 (Pressebericht) (2012: 150)
  • - bisher keine nennenswerten Erfolge bei Wahlen; bei der Europawahl 2014 reichte es nicht einmal für genügend Unterstützer*innen-Unterschriften
  • Pro Köln Pro NRW Pro Deutschland
    - Der Verein "Pro Köln" hat 220 Mitglieder (2010), die Partei "Pro NRW" 1.000 (Verfassungsschutzbericht NRW 2010: 900), die Partei "Bürgerbewegung Pro Deutschland" hatte 2012 laut Rechenschaftsbericht 906 Mitglieder (2010: 250)
    - Rechtspopulistisch, rassistisch
    - Spezialität: Islamfeindschaft
    - Schwerpunkt ist Nordrhein-Westfalen, streben aber bundesweite Kandidaturen an
  • Republikaner
    - 5.800 (2011: 6.000 Mitglieder; 2009: 6.600)
    - Bis 2006 als rechtspopulistisch-nationalistische Partei vom Verfassungsschutz beobachtet
    - danach Bekenntnis zur Demokratie, rechtskonservativ, aktuell bedeutungslos
  • AfD / Alternative für Deutschland
    - gegründet im Februar 2013
    - gilt als "Anti-Euro-Partei", europakritisch, (wert)konservativ bis wirtschaftsliberal, mit nationalistischen und kulturrassistischen Zügen
    - teilweise mit starken Tendenzen zum Rechtspopulismus besonders bei den Themen Zuwanderung, Islam, Gender und sexuelle Vielfalt
    - 17.521 Mitglieder (eigene Angabe)

Rechtsextreme Organisationen insgesamt (außer Parteien)

gesamt: 64  rechtsextreme Organisationen und Personenzusammenschlüsse ohne Parteien (2011: 225; 2010: 217; 2009: 193)

Kameradschaften, "Freie Kräfte"

    „Freie Kameradschaften“ (auch „Freie Kräfte“ genannt):
  • - Lockerer regionaler Zusammenschluss von Rechtsextremen, die für Aktionen gemeinsam in Erscheinung treten.
  • - Geben sich radikaler, moderner, offener, aktionistischer, militanter als Parteien.
  • - Schließen sich zu „Kameradschaftsverbänden“ oder „Aktionsbündnissen“ für größere Aktivitäten zusammen.
  • - identitätsstiftende Sammelbegriffe : "Freie Nationalisten“, „Nationaler Widerstand".
  • - Rund 153 in Deutschland (2010; 2009: 132).

Aktivitäten von Kameradschaften

  • - Organisation von Aufmärschen und Konzerten
  • Gewalttaten
  • - Propaganda vor Ort, z.B. Flyer, Aufkleber verteilen, z.T. auch logistische Hilfe für rechtsextreme Parteien
  • - Propaganda im Internet
  • - Terroristische Aktionen
  • - Aufbau einer „rechtsextremen Parallelwelt“: eigene ZeitungenVersände, Clubs, Partys, Tanzgruppen, Handwerksbetriebe

Autonome Nationalist*innen

  • - Aktuelle Spielart der „Freien“ Nazi-Szene, stark jugendkulturell-erlebnisorientiert und gewalttätig
  • - Übernahme linker (linksautonomer) Symboliken, Ausdrücke, (Protest-) Songs, um attraktiver und moderner zu wirken – inhaltlich aber nicht weniger gefestigt, was z.B. NS-Verherrlichung , Antisemitismus, Demokratiefeindlichkeit angeht
  • - Anti-Antifa-Arbeit: Ausspionieren und Bedrohen „politischer Gegner*innen“
  • - rund 900 Personen (2010: 1.000; 2009: 800, 2008: 500)
  • - neue Themen, z.B. Anti-Globalisierung, Anti-Krieg, Tier- und Umweltschutz

Bürgerinitiativen

  • - Versuch der Neonazis, durch ein bürgerlich-gemäßigtes Auftreten mehr Zulauf zu bekommen
  • - Beispiele rechtsextremer Gründungen / Dominanzen: „Bürgerinitiative Schöner Wohnen in Wolgast“ (gegen eine Asylbewerber-Unterkunft)
  • - "Initiative für eine gentechnikfreie Region Nebel/Krakow am See“ (Versuch, über den Anti-Gentechnik-Ansatz Kontakt zu Menschen außerhalb des rechtsextremen Spektrums zu bekommen)

Vereine

Beispiele:

Rechtsextreme Aktivitäten

Parlamente

  • - Aktuell ist die NPD nicht im Bundestag vertreten.
  • - Aber dafür ist die NPD in 2 Landtagen vertreten (Sachsen, 8 Mandate, Mecklenburg-Vorpommern, 6 Mandate)

Kommunalpolitik

  • - Die NPD ist mit rund 330 Mitgliedern in Kommunalparlamenten in 14 Bundesländern (alle außer Bremen und Hamburg) vertreten
  • - Pro NRW ist mit 17 Personen in Kommunalparlamenten in Nordrhein-Westfalen vertreten

Soziale Frage / "Kümmerer"

  • - Bürgerbüros
  • - Hausaufgabenhilfen für Schüler
  • - Feste in ländlichen Gegenden, wo es wenig Aktivitäten gibt
  • - Engagement in zivilgesellschaflichen Bürgerinitiativen  - oder das Gründen von eigenen Bürgerinitiativen, aktuell gern gegen Flüchtlingsheime

Jugend- und Subkulturen

  • - 182 rechtsextreme Bands in Deutschland kennt der Verfassungsschutz (2011: 178; 2010: 165; 2009: 151)
  • - Rechtsextreme Liedermacher und Liedermacherinnen: 23 (2011: 22; 2010: 29; 2009: 33)
  • - 82 rechtsextreme Konzerte (2011: 131; 2010: 128; 2009: 125)
  • - 17 rechtsextreme Liederabende (2011: 30)
  • - Rechtsextreme Bands oder Gruppierungen gibt es in nahezu allen jugendlichen Subkulturen, neben Rock, Heavy Metal, Volksmusik, Liedermacher z.B. HipHop, Techno; aktuell besonders verbreitet: NS-Hatecore (NSHC), NSBM (National Socialist Black Metal)

Erlebniswelt / Parallelwelt Rechtsextremismus

  • - 82 rechtsextreme Versände und Musikvertriebe (2011: 91; 2009: 87; 2008: 68)
  • - 28 rechtsextreme Verlage: bringen 91 rechtsextreme Publikationen heraus (2011: 85), die mindestens quartalsweise erscheinen; auch Bücher, DVDs
  • - Clubs und Partys
  • - Hobby: Tanzgruppen, Geschichtsvereine
  • - Handwerksbetriebe, Bauernhöfe

Internet

  • - über 950 rechtsextreme Internetseiten (2011: 1.000; 2010: 1.600)
  • - Websites von Gruppierungen und Parteien, Informationsportale
  • - Einfacher Zugang zu rechtsextremer Musik, Videos, Propagandamaterial
  • - Auch skurrile Zugänge (Humor, Sprühschablonen, Nazi-Flirtbörsen)
  • - Wachsend: Beiträge in Sozialen Netzwerken: 2009 = 2.000 beobachtete Beiträge, 2010 = 6.000 beobachtete Beiträge. Danach hat man offenbar aufgegeben, das Zählen zu versuchen (zu Recht).
  • - Im Juni 2012 gab es Exekutivmaßnahmen gegen führende Köpfe und Mitglieder des rechtsextremen Forums Thiazi.net (32.000 registrierte Nutzer*innen). Es wurde daraufhin geschlossen.
  • - Im Oktober 2011 wurden zwei Verantwortliche des rechtsextremen Nachrichtenportals "Altermedia Deutschland" zu zweijährigen Haftstrafen verurteilt. Das Portal berichtet trotzdem weiter, hat aber Wirkungskraft eingebüßt.
  • - Rechtsextreme Internetradios: 19 (2011: 33)

Schule

  • - Spezielle Angebote, um Schüler*innen zu begeistern:Schulhof-CDs mit rechter Musik, Comics, (Schüler-) Zeitungen
  • - Mailings oder Briefe an Schülervertreter
  • - Engagement in sozialen Netzwerken im Internet, die Schüler*innen besuchen

95 Demonstrationen (2011: 167; 2010: 148; 2009: 143)

Gewalttaten

  • - 184 Todesfälle rechtsextremer und rassistischer Gewalt nach 1990 (Zählung der Amadeu Antonio Stiftung; Innenministerium: 63)
  • - 2012: 17.134 (2011: 16.142; 2010: 15.905; 2009: 19.468; 2008: 20.422)
  • - Davon rechtsextreme Gewalttaten: 2012: 803 (2011: 755, 2010: 762; 2009: 959; 2008: 1.113),
  •  - von den Gewalttaten sind 690 Körperverletzungen (2011: 640), 21 Brandstiftungen (2011: 20), 1 Sprengstoffexplosion (2011: 0)
  • - Propagandadelikte: 2012: 12.219 (2011: 11.401, 2010: 11.384; 2009: 13.295)
  • Volksverhetzung: 2012: 2798 (2011: 2.464, 2010: 2.279; 2009: 2956)
  • - Nötigung / Bedrohung: 153 (2011: 128)
  • - Tendenz: leicht ansteigend gegenüber 2011 auf weiter hohem Niveau

| Chronik rechtsextremer Gewalt auf mut-gegen-rechte-gewalt.de

Sport

  • - Überschneidungen zwischen der Hooligan-Szene im Fußball und Rechtsextremen
  • - Wahrnehmungs-Problem: Oft erscheint politisch motivierte Gewalt als „Rivalität unter Fans“
  • - Fanclubs und Vereine werden z.T. auch gezielt unterwandert, es gibt sogar rechtsextreme Fußballvereine
  • - Rassismus und Antisemitismus sind in unteren Ligen Alltag
  • - Deutscher Fußballbund engagiert sich, um dem entgegen zu treten
  • - mehr auf www.fussball-gegen-nazis.de

Warum werden Menschen rechtsextrem?

Darüber forscht die Wissenschaft noch kontrovers und kommt auf diverse Faktoren, die als sich ergänzend verstanden werden müssen.

Als Grundmuster ist zu erkennen: Wer selbst keine Anerkennung erfährt, versucht sie sich dadurch zu besorgen, dass er andere abwertet, um sich selbst aufzuwerten. Außerdem bieten rechtsextreme Einstellungen mit ihrem starren Weltbild scheinbar einfache Erklärungsmuster für komplexe Lebensprobleme, denn Schuld ist immer jemand anders. Dazu kommt, Menschen als ungleichwertig anzusehen und sich daraus das Recht abzuleiten, anderen Gruppen Menschenrechte abzusprechen - sogar durch Gewalt und Mord.

Rechtsextreme Einstellungen helfen:

  • - sich in einer komplexen Welt zu orientieren und einen Platz zu finden
  • - eine Identität zu finden
  • - sich eine komplexe Welt zu erklären
  • - Verantwortung für Probleme auslagern und abschieben zu können

Rechtsextreme Welterklärungsmuster liefern einfache scheinbare Verantwortliche für Probleme wie

  • - das Gefühl eines sozialen Abstiegs
  • - das Gefühl, unbedeutend zu sein und nur noch als Randgruppe wahrgenommen zu werden
  • - das Gefühl, nicht mehr zur Gesellschaft zu gehören
  • - das Angst vor einer unsicheren gesellschaftlichen wie wirtschaftlichen Zukunft.
  • - Wer andere abwertet, fühlt sich selbst dadurch aufgewertet.

Dazu kommt die Unzufriedenheit mit wirtschaftlich-sozialen und politisch-kulturellen Verhältnissen (Einheit, Demokratie, Zukunftspersepktive). Und als Persönlichkeitseigenschaften Ich-Schwäche, Autoritarismus, Dogmatismus und Konventionalismus.

Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit in Europa

  • - Europaweit gibt es hohe Zustimmungsraten zu
    Islamfeindlichkeit (50%)
    Fremdenfeindlichkeit (50%)
    Antisemitismus (40%)
    Rassismus (30%)
  • - In den östlichen Ländern Europas (untersucht wurden Polen und Ungarn) waren die Zustimmungsraten eher überdurchschnittlich.
  • - Deutschland liegt im Mittelfeld.

Quellen:
- Verfassungsschutzbericht 2012 (pdf zum Download)
- Verfassungsschutzbericht 2011 (pdf zum Download) und früherer Verfassungsschutzberichte
- Pressematerialien zur Vorstellung der Studie "Deutsche Zustände. Band 8", hrsg. von Wilhelm Heitmeyer
- Studie "Europäische Zustände" von Andreas Zick
- diverse Presseberichte
"Kleine Anfragen" im Bundestag von Petra Pau

- Richard Stöss: Rechtsextremismus im Wandel. Friedrich-Ebert-Stiftung Berlin, 2010.

Mehr auf netz-gegen-nazis.de:

| Erkenntnisse aus Verfassungsschutzberichten

| Zahlen

Ursprungsdokument vom 10.03.2010

Zuletzt aktualisiert am 02.04.2014

Format:

Region:


Viewing all articles
Browse latest Browse all 177